Albrecht Pallas im INterview
Albrecht Pallas ist Dresdner durch und durch. Im Interview verrät er, was ihn geprägt hat, warum er Polizist geworden ist und wie er die Politik für sich entdeckt hat.
dresden ist eine schöne stadt
Unsere Stadt hat den Menschen, die hier leben und den vielen Besucherinnen und Besuchern, die jedes Jahr hierher kommen, viel zu bieten. Allerdings droht Dresden, gegenüber Städten wie Leipzig oder Dresden zurückzufallen. Die Kritik: Dresden sei „langweilig“ und „unflexibel“. Doch das Gute ist: mit der richtigen Politik, die die Herausforderungen der Zukunft aktiv angeht, kann Dresden seine Stärken voll ausspielen und eine soziale Stadt für alle werden.
Was finden Sie toll an Leipzig und Berlin?
Albrecht Pallas: Den Zug nach Dresden. Allerdings versteckt sich hinter der humorvoll gemeinten Antwort ein wunder Punkt. Dresden ist wunderschön, egal ob die historische Altstadt, das Ausgehen in der Dresdner Neustadt oder das Spazierengehen entlang der Elbe. Aber ich höre gerade von jüngeren Leuten: Dresden wird langweilig. Viele gehen weg, beispielsweise in vermeintlich attraktivere Städte wie Leipzig oder Berlin. Die Reaktion darauf: Es bewegt sich nichts. Man zeigt keine klare Kante gegen Fehlentwicklungen. Bei den Wahlen geht es auch um mehr Mut für die Stadt, zu handeln und zu entscheiden.
Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?
Albrecht Pallas: Spontan denke ich an den Schulweg meiner Kinder. Wir sind wahrscheinlich die einzige große Stadt Deutschlands, die fast keine Zebrastreifen hat. Und das, obwohl Eltern das seit Jahren fordern! Ähnlich empfinde ich das bei Zukunftsthemen: Wir stehen vor der größten Modernisierung unserer Wirtschaft und Dresden streitet über die Begrünung von Bushäuschen. Wir müssen schneller und besser vorankommen bei der Digitalisierung, der Ausweisung von Gewerbeflächen und der Zusammenarbeit mit Nachbarlandkreisen.
Welchen Blick gibt es denn auf Dresden von außen?
Albrecht Pallas: Der Blick ist zwiespältig. Einerseits empfinden die meisten Dresden als wunderschöne Stadt. Andererseits hat Dresden nicht das beste Image. Dabei wird vergessen, der größte Teil der Dresdner Gesellschaft ist genervt von den rechten Aufmärschen. Dresden ist so viel mehr. Aber es braucht Politikerinnen und Politiker, die in der ersten Reihe dagegen steht. Ich werde das tun. In anderen Städten funktioniert das ja auch. Es geht um eine klare Haltung.
Bei der Oberbürgermeisterwahl 2022 sind Sie mit einer doppeldeutigen Botschaft auf den Wahlplakaten aufgefallen: „Macht mehr aus Dresden“. Was steckt dahinter?
Albrecht Pallas: Alleine wird man als Politiker wenig ausrichten. Politik, Verwaltung und die Stadtgesellschaft können die vor uns liegenden Aufgaben nur gemeinsam lösen. Lasst uns die Probleme in allen Stadtteilen angehen. Dafür muss Bürgerbeteiligung jedoch wirksam sein: keine Scheinbeteiligung. Das bedeutet auch, vorher klare Orientierung zu geben. Ich habe im Landtag verhandelt, dass Stadtbezirksbeiräte mit eigenen Geldern ausgestattet wurden. Damit haben die Stadtbezirke Mittel für Projekte, die sich für ihre Nachbarschaft stark machen. Das wissen aber immer noch zu wenig Leute. Auch die Stadtteilfonds, die es schon in Pieschen und der Johannstadt gibt, sind ein guter Ansatz, den ich gern ausweiten möchte.
In welchen Stadtteilen haben Sie in Dresden schon gewohnt?
Albrecht Pallas: Aufgewachsen bin ich zwischen Südvorstadt und Zschertnitz. Nach dem Berufseinstieg habe ich in einer WG in Pieschen gewohnt, später dann in Naußlitz am Rand von Gorbitz. Jetzt wohne ich seit 2010 mit meiner Familie in Plauen. Damals konnte man noch auswählen! Heute gibt es nur noch wenige Familienwohnungen, die bezahlbar sind. Selbst Familien mit guten Einkommen scheuen einen Umzug, weil sie keine Wohnungen finden. Das ist eines meiner zentralen Themen für Dresden. Ich kämpfe seit Jahren als Landtagsabgeordneter für den sozialen Wohnungsbau, aber auch eine Mietpreisbremse. Die Konservativen waren immer dagegen.
Gehen Sie gerne in die Stadt einkaufen?
Albrecht Pallas: Ja, da ist einfach alles da. Aber ich sehe die aktuellen Probleme in der Stadt. Es reicht nicht, nur die Einzelhändler zu unterstützen. Wir müssen die ganze Innenstadt neu in den Blick nehmen und mehr Angebote machen: Wenn mehr Leute in der Innenstadt sind, geht es auch den Einzelhändlern besser.
Und wie ist es mit Musik?
Albrecht Pallas: Ich spiele seit meiner Kindheit Klarinette, heute noch mit meinem großen Kind, aber ich übe einfach zu wenig. Ich bin in meiner Jugend immer viel auf Konzerte gegangen. Ich war damals in einem der selbstverwalteten Studentenclubs im Vorstand, dem Klub Neue Mensa mit der Bierstube. In den letzten Jahren sind hier leider viele Freiräume weggefallen. Die machen eine Stadt aber für junge Leute erst attraktiv. Es braucht Orte für junge Leute und wir sollten an geeigneten Stellen, etwa dem Leipziger Bahnhof, darüber nachdenken, wo wir das ermöglichen können.
Wie hat Ihre Familie die Nachwendezeit erlebt?
Albrecht Pallas: Ich bin der Jüngste von drei Geschwistern. Ich bin behütet in der DDR aufgewachsen, in einem christlichen Elternhaus mit einem kritischen Blick auf die DDR. Nach 1990 war ich noch so jung, dass ich alle Optionen im Leben vor mir hatte. Doch in meinem Umfeld habe ich gesehen, wie manche den Halt in der Nachwendezeit verloren haben. Und gleichzeitig sehe ich, wie stolz wir in Dresden auf unsere Leistungen in den letzten 30 Jahren sein können. Für mich bedeutet diese Zeit, das Gefühl völliger Freiheit. Wir haben damals in der Clique als 14-Jährige am damaligen Sportplatz Strehlener Straße ein verlassenes Gebäude zum Jugendtreff ausgebaut. Es gab damals diese Freiräume.
Warum sind Sie Polizist geworden?
Albrecht Pallas: Schon als Jugendlicher hat es mich geärgert, wenn man von oben herab behandelt wurde. Und das war leider oft der Fall, wenn wir mit der Polizei in Kontakt kamen. Ich wollte das ändern. Das muss doch besser gehen, dachte ich. Und glauben Sie mir, es gab viele Diskussionen in der Familie und im Freundeskreis darüber. 16 Jahre habe ich bei der Polizei gearbeitet.
dresden-plauen
Albrecht Pallas: „Plauen ist mein Heimatort. Und auch die Heimat der TU Dresden, einer unserer vielen starken Forschungs- und Wissenschaftsstandorte. Am Campus ist die Zukunft Dresdens zu Hause. Diese möchte ich stärken.“
die bierstube dresden
Die Bierstube war vor der Schließung der Neuen Mensa ein Anlaufpunkt für Studierende auf dem Campus der TU Dresden und wird es nach der Neueröffnung hoffentlich wieder sein. Wir brauchen in Dresden mehr Freiräume, um die Stadt attraktiv für junge Menschen zu halten.
Waren Sie auch als Polizist in Dresden im Einsatz?
Albrecht Pallas: Nach dem Studium war ich im Streifendienst in Dresden-West unterwegs. Da bekommt man alle Probleme mit, die eine so große Stadt eben hat. Man ist Ansprechperson für viele Alltagsprobleme, auch in Fällen, in denen die Polizei eigentlich nichts tun kann. In manchen Stadtteilen ballen sich Probleme und für das Sicherheitsgefühl muss mehr getan werden. Ältere Bürgerinnen und junge Frauen dürfen keine Angst haben, aus dem Haus zu gehen. Und ich finde es beschämend, dass sich viele Menschen etwa wegen ihrer Hautfarbe unsicher fühlen müssen. Aber im Vergleich ist Dresden eine sehr sichere Stadt.
täglich im stadtteil unterwegs
Albrecht Pallas lebt selbst in Plauen, nicht weit von seinem Bürgerbüro, dem „Süd Pol Dresden“ entfernt. Er ist also täglich in seinem Stadtteil unterwegs und erfährt so auch hautnah von den Problemen und Ängsten der Menschen vor Ort.
Sie haben als Stadtrat und Landtagsabgeordneter regelmäßig seit 2009 Haustürbesuche in Ihren Stadtteilen gemacht. Was kamen da für Themen?
Albrecht Pallas: Bei den Besuchen erfahre ich viel über die Sorgen der Menschen. Das reicht von konkreten Alltagsproblemen wie steigenden Nebenkosten oder der langwierigen Arztsuche bis zu dem Empfinden, dass „die Politik“ und „der Staat“ mehr tun müssen für eine gerechtere Gesellschaft. 2009 war ich das erste Mal auf der Südhöhe unterwegs, als ich Unterschriften für den Erhalt der 126. Grundschule gesammelt habe. Das war die letzte Schule, die in Dresden geschlossen wurde, obwohl schon erkennbar war, dass wieder mehr Kinder geboren werden. Die Schule wurde leider trotzdem geschlossen, aber wir haben für den Standort gekämpft. Heute ist dort die Uni-Schule.
Sie haben drei Kinder. Wie wollen Sie Job und Familie miteinander vereinbaren?
Albrecht Pallas: Meine Frau und ich arbeiten beide in Vollzeit und haben uns schon immer reingeteilt. Aber man muss ehrlicherweise sagen: Wir haben das große Glück, dass die Großeltern in der Stadt wohnen. Nur so funktioniert das bei uns. Und ich weiß, dass viele dieses Privileg nicht haben.
Was macht einen sozialdemokratischen Abgeordneten aus? Was macht er für einen Unterschied?
Albrecht Pallas: Er hat die ganze Stadt, alle Stadtviertel und alle Themen im Blick. Ihm ist klar: Arbeitsplätze und Wohlstand sind nur sicher, wenn eine Stadt prosperiert und die Wirtschaft läuft. Es braucht eine Infrastruktur, damit die Leute schnell, sicher und möglichst umweltfreundlich durch die Stadt kommen. Es geht um den Mut zum Fortschritt, aber auch darum, alle Menschen auf dem Weg mitzunehmen und niemanden zurückzulassen. Es geht um sozialen Ausgleich zwischen den Stadtteilen, nicht nur um Leuchttürme.