„In mitten von tausenden Menschen stehe ich im Union Park im Süden Chicagos. Zwischen vielen, vielen Jugendlichen, Familien mit Kinderwagen oder Tragetuch und Ehepaaren, die wohl noch zu der Generation gehören, die gegen den Vietnam-Krieg demonstrierten, stimmen meine Mitfreiwilligen Lotta, Sarah, Balthasar und ich in die Rufe gegen die Waffenlobby, die NRA, gegen die Politik Donald Trumps und für strikte Waffengesetzte ein. Fast jeder Demonstrant hat ein großes, selbst hergestelltes Schild oder Plakat mitgebracht. „Arms are for hugging“, „No more silence, end gun violence“ steht auf einigen. Fast 50.000 Menschen sind in Chicago dem Aufruf, am 24. März 2018 beim „March for our Lives” für die Verschärfung der Waffengesetzte zu demonstrieren, gefolgt. In Washington D.C. waren ungefähr 800.00 Menschen auf der Straße. Als dann die Rede der Schülerin Emma Gonzalez, die den Amoklauf in Parkland überlebt hat, aus Washington übertragen wird, eine aufwühlende Rede, die auch ein anklagendes Schweigen ist, stehen uns Demonstranten die Tränen in den Augen. Diese riesigen Demonstrationen in den USA, die Sie sicherlich am TV verfolgt haben, wurden ausschließlich von jungen Menschen unter 21 Jahren organisiert!
Meine Demonstrationserfahrung hingegen beschränkt sich bis zu jenem 24. März auf den Protest gegen PEGIDA und die AfD in Dresden. Und, um nur ein Beispiel zu nennen, auf die unglaubliche Beobachtung, wie sächsische Polizei und PEGIDA-Anhänger auf der Augustus-Brücke gemeinsam Bierflaschen öffnen und sich zu prosten. Aber was es heißt, mit so vielen Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, verschiedener Generationen und sozialer Schichten gemeinsam für die gleichen Ziele und Ideale zu kämpfen, zu rufen und einzustehen, ist mir bisher unbekannt. Für mich ein sehr besonderes, emotionales Erlebnis – deshalb beginne ich meinen Brief auch mit diesem nun schon wieder viele Wochen zurückliegenden Ereignis.“