„Aghet“ – Unterstützung für Dresdner Sinfoniker
[Vorwort zur SüdPost N° 5]
Liebe Leserinnen und Leser,
heute erhalten Sie die Mai-Ausgabe der Süd Post mit Neuigkeiten aus dem Landtag, dem Dresdner Stadtrat und aus dem Dresdner Süden. Ich wünsche Ihnen eine informative und angenehme Lektüre.
In den letzten Wochen hat mich die Diskussion um die Presse- und Kunstfreiheit stark bewegt, welche durch die Reaktionen auf Erdoğan-kritische Beiträge des Satire-Magazins „Extra3“ und den Fernsehmoderator Jan Böhmermann ausgelöst wurde. Diese Diskussion ist nun auch in Dresden und im Dresdner Süden angekommen. Erstmals seit der Intervention der Türkei gegen das Musikprojekt „Aghet” der Dresdner Sinfoniker ist das Werk am Samstag 30. April im Festspielhaus Hellerau aufgeführt worden. Das Projekt war zum 100. Jahrestag des Massakers an den Armeniern initiiert worden. Die Dresdner Sinfoniker und Gastmusiker bekamen am Samstagabend im ausverkauften Festspielhaus Hellerau in Dresden tosenden Beifall. Bereits einen Abend zuvor, am 29. April, war das theaterpädagogische Vermittlungsprojekt, „Die 40 Tage des Musa Dagh“ mit Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums Dresden-Plauen und des Vitzthumgymnasiums unter der Regie von Tom Quaas, dazu zu sehen.
Jüngst war bekannt geworden, dass türkische Vertreter auf EU-Ebene wegen „Aghet” interveniert hatten. Bei den Massakern an den Armeniern im Jahr 1915 kamen Schätzungen zufolge zwischen 800.000 und 1,5 Millionen Angehörige der christlichen Minderheit im Osmanischen Reich – dem Vorläuferstaat der heutigen Türkei – ums Leben. Die Türkei sieht im Begriff „Völkermord” eine ungerechtfertigte Anschuldigung der damaligen Taten.
Auch die sächsische Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD) stellte sich demonstrativ hinter das Projekt. „Es hat mich überhaupt nicht gewundert, dass die Türkei gegen das Musikprojekt protestiert, nachdem was wir in den letzten Monaten an Interventionen von türkischer Seite gegen satirische Äußerungen und freie Berichterstattung erlebt haben. Ich empfinde es als Unverschämtheit und als erschreckend, mit welcher Beharrlichkeit die türkische Regierung versucht, sich in die Kunst- und Meinungsfreiheit der Bundesrepublik einzumischen. Wir werden dem nicht nachgeben.”
Viele Menschen empfinden ähnlich. Auch mir geht es so. Für uns sind Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit grundlegende Pfeiler der Demokratie und des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die Verteidigung der Menschenrechte ist eine der wichtigsten Aufgaben für uns Europäer. Dazu gehört, dass eklatante Menschenrechtsverletzungen, wie ein Genozid, thematisiert werden müssen. Dies gelingt genau mit solchen Projekten wie ‚aghet – ağıt‘. Aber auch der versöhnende Gedanke des Projektes spielt eine entscheidende Rolle. Wenn Musikerinnen und Musiker aus Deutschland, aus der Türkei und aus Armenien den Völkermord an den Armeniern vor 100 Jahren gemeinsam musikalisch aufarbeiten, dann ist dies ein herausragender Beitrag zur Versöhnung und Völkerverständigung.Daran sollten wir weiterarbeiten. Bleiben wir also wachsam.
Herzliche Grüße
Ihr Albrecht Pallas