Der große Stichwahl-Sonntag, auf den wir lange gewartet haben, liegt nun bereits einige Tage hinter uns. Nach den letzten hitzigen Wochen, hat sich schnell wieder eine Normalisierung eingestellt. Die meisten Plakate sind verschwunden, der öffentliche Umgangston wird wieder ruhiger und sachlicher, der Stadtrat tagt in gewohnter Form und selbst das Thermometer bleibt unter der 30°C-Marke. Nach dem Dank an Dr. Eva-Maria Stange für ihren engagierten Wahlkampf und den anerkennenden guten Wünschen an den neuen Oberbürgermeister Dirk Hilbert finden die meisten Beteiligten wieder in ihre gewohnten Rollen zurück. Eine ausführliche Auswertung, die den Besonderheiten dieses Wahlkampfes Rechnung trägt, ist dennoch unverzichtbar.
Zur politischen Normalität gehört es Wahlen zu verlieren. Die Wahl zur Oberbürgermeisterin haben wir gemeinsam mit Linken und Grünen verloren, das war eine erste Besonderheit. Ungern benennen Parteien eine Niederlage als solche. Mit Floskeln, wie „fast gewonnen“, „weniger verloren, als die anderen“ oder „anständig gekämpft“ wird dieser Teil gern überspielt. Der Abstand von 10 Prozentpunkten auf Dirk Hilbert ist allerdings ein eindeutiges Ergebnis. Und das Ergebnis berechtigt zum Glück auch nicht zum gegenseitigen Vorwurf, dieser oder jener Fehler hätte den Wahlsieg gekostet. Vielmehr gilt es jetzt, die Zusammenarbeit mit den anderen Parteien nicht wieder einschlafen zu lassen. Denn auf längere Sicht braucht Dresden einen Politik- und Stilwechsel. Daran wird Rot-Rot-Grün weiter arbeiten.
Abseits der Kooperationsparteien haben schließlich auch die verloren, die von Hilbert keine Aufmerksamkeit zu erwarten haben. Besonders schwierig wird es für die sozial abgehängten Bezirke: Sie waren bei Hilbert nicht auf der Agenda und werden es aber hoffentlich in den nächsten Jahren sein. Gespannt bin ich auch auf seinen Umgang mit dem wissenschaftlichen Standortpotential Dresdens, nachdem die Hochschulen keine Erwähnung in seinen ‚Herzensangelegenheiten‘ fanden. Und bei manchen Themen bleibt nur zu hoffen, dass der Stadtrat die Vorschläge des Oberbürgermeisters ausreichend korrigiert: Die Eigenheimförderung gegen den Wohnungsmangel ist da das beste Beispiel.
Obwohl der Wahlkampf teilweise unter der Gürtellinie geführt wurde, gehört nun das beidseitige Angebot der Zusammenarbeit zum fairen Umgang nach der Wahl. Kaum jemand dürfte ein Interesse am dauerhaften Streit zwischen Stadtrat und Oberbürgermeister haben.
Und bei der Art und Weise der Konfliktaustragung möchte ich nicht unerwähnt lassen, was Eva-Maria Stange nach der Wahl schrieb:
„Entsetzt bin ich auch über eine aggressive und beleidigende Sprache, die vor allem auf Facebook – also wenn man den anderen nicht direkt ins Gesicht schauen muss – von manch einem zum Ausdruck kam. Bis zur Kulturhauptstadt sind nicht nur 10 Jahre, sondern vor allem menschliche und kulturlose Abwege zu überwinden!“
Die Schärfe der persönlichen Angriffe auf Eva-Maria Stange hat auch mich erschüttert. Respekt für ihr Durchhaltevermögen unter diesen Bedingungen! Und an Dirk Hilbert möge dieser Ausdruck politischer Streitkultur auch nicht folgenlos vorbei gehen, wenn er es mit dem Slogan ‚Vereinen statt Spalten‘ ernst meint.